The made-up Space
by Julia Brennacher 2012
Manuel Gorkiewicz’s conceptual multi-media oeuvre circles around the interfaces and interplay between the art world and the consumer and everyday world. His sculptural, painterly and large-format works address product design’s and advertising’s practice of appropriating and making use of striking ideas from art history, especially modernistic and functional formal languages. The classical ready-made opened up art and museum space for everyday objects, but Gorkiewicz’s work reveals that osmotic permeability between the everyday world and art runs in both directions. It should also be noted in this context that the question of originality, creativity and authorship is becoming increasingly difficult to answer, but is not yet unduly frail.
In the large mural conceived for the exhibition Ohne Titel (2012), meaning is conveyed above all by the unconventional use of cosmetic colouring materials. Gorkiewicz covers the two opposite walls of the exhibition space with large-format geometrical modules that look at first like scientific colour systems, but are actually true-to-scale enlargements of make-up boxes or their contents. Form and colour are not determined, as the context would suggest, by visual, psychological or art-historical parameters, but by paradigms from the beauty industry. Here recourse to a modernistic formal vocabulary, derived quite simply in this case from commercially available eye-shadow, breaks with Modernism’s heroic gesture and also undermines the conceptual rigidity associated with the monumental Wall Drawings by the American Minimal Art pioneer Sol LeWitt, for example. The colour Gorkiewicz uses no longer has a merely visual quality, but essentially defines itself by its materiality and sensuality, by its relationship with the human body and skin. The different colour ranges of refracted, nuanced shades correspond with colour systems the cosmetics industry developed by considering different eye and skin colours, and also current fashionable colours and fashion trends. Transferred into the exhibition space using the resources of painting, the opulently shimmering, powdery materiality of the specific painting pigment opens up a sensual and physical quality that points to its actual context and its body-related use as an aid to beauty care. Using unconventional starting materials apparently alien to art is characteristic of Manuel Gorkiewicz’s artistic practice. For example, in an earlier series of works, Gorkiewicz made objects and assemblages whose forms in their turn refer to historical colour models from the history of colour theory: their colour systematics are replaced by a conventional chocolate coating, however, and thus counteracted ironically. In another work complex, metallically glowing garland constructions become poetic sculptures that almost float in the air or find themselves condensed into minimalist installations. Here the return to materials whose aesthetic is strongly associated with the decorative and ornamental is a deliberate one. By literally “making up” the exhibition space in the Galerie im Taxispalais in this case, and thus logically pursuing measures for rendering things more attractive, Gorkiewicz is also addressing the contemporary phenomenon that museums are developing into stages for a new event culture. By performing the cultural act of transferring the trivial into a new context, Gorkiewicz reveals the penetration and interplay of different cultural spheres and milieus and lays them open to experience. It is this oscillating between the systems that interests Gorkiewicz when he undermines our current way of looking at things and places traditional allocations of meaning at our disposal. So in the context of the exhibition and a current painting discourse, Gorkiewicz is delivering a subtle commentary on the expectations art and its presentation spaces are exposed to, and also on the museum-related and social standards among which artistic discourse and artistic distribution move today.
in:
"INCREASINGLY COLOURFUL. Current Painting from Austria"
Galerie im Taxispalais (Ed.)
Innsbruck 2012
german version:
Der geschminkte Raum
Manuel Gorkiewicz umkreist in seinem konzeptuellen, multimedialen Oeuvre die Schnittstellen und Wechselbeziehungen zwischen der Kunstwelt einerseits und der Konsum- und Alltagswelt andererseits. Seine skulpturalen, malerischen und raumgreifenden Arbeiten thematisieren die Praxis von Produktdesign und Werbung, sich markante Gestaltungsideen aus der Kunstgeschichte, insbesondere modernistisch-funktionalistische Formensprachen, anzueignen und zunutze zu machen. Während das klassische Readymade den Kunst- und Museumsraum für Alltagsobjekte öffnete, wird bei Gorkiewicz sichtbar, dass die osmotische Durchlässigkeit zwischen Alltag und Kunst in beiderlei Richtungen verläuft. Damit in Zusammenhang steht auch, dass sich die Frage nach Originalität, Kreativität und Autorschaft zunehmend schwieriger beantworten lässt, dennoch aber nicht grundsätzlich hinfällig wird.
In der für die Ausstellung konzipierten raumgreifenden Wandarbeit Ohne Titel (2012) ist es vor allem der unkonventionelle Einsatz von kosmetischen Farbmaterialien der bedeutungsstiftend wird. Gorkiewicz überzieht die beiden gegenüberliegenden Wände des Ausstellungsraums mit großformatigen, geometrischen Modulen, die zunächst wie wissenschaftliche Farbsysteme aussehen, tatsächlich aber maßstabsgetreue Vergrößerungen von Schminkdosen bzw. deren Inhaltes sind. Nicht wie der Kontext vermuten ließe, bestimmen optische, psychologische oder kunsthistorische Parameter Form und Farbe, sondern die Paradigmen der Schönheitsindustrie. Der Rekurs auf ein modernistisches Formenvokabular, das hier ganz einfach von handelsüblichen Lidschatten herrührt, bricht dabei mit dem heroischen Gestus der Moderne und unterläuft auch die konzeptuelle Strenge, die beispielsweise mit den monumentalen Wall Drawings des amerikanischen Minimal Art Pioniers Sol LeWitt verbunden ist. Die Farbe, die Gorkiewicz verwendet, besitzt nicht mehr nur eine rein optische Qualität, sondern definiert sich grundlegend über ihre Stofflichkeit und Sinnlichkeit, über ihren Bezug auf den menschlichen Körper und die Haut. Die verschiedenen Farbpaletten von gebrochenen, nuancierten Tönen entsprechen Farbsystemen, die von der Kosmetikindustrie unter Berücksichtigung unterschiedlicher Haut- und Augenfarben sowie aktueller Modefarben und Trends entwickelt werden. Mit den Mitteln der Malerei in den Ausstellungsraum transferiert, eröffnet die opulent-schimmernde, pudrige Stofflichkeit des spezifischen Malpigments eine sinnlich-körperliche Qualität, die auf seinen eigentlichen Kontext und seine körperbezogene Verwendung als Behelf zur Schönheitspflege verweist. Der Gebrauch von scheinbar kunstfremden, unkonventionellen Ausgangsmaterialien ist bezeichnend für Manuel Gorkiewiczs künstlerische Praxis. So fertigte der Künstler in einer früheren Werkserie Objekte und Assemblagen, die in ihren Formen wiederum auf historische Farbmodelle aus der Geschichte der Farbenlehre referieren, deren Farbsystematiken allerdings durch einen Überzug aus herkömmlicher Schokoladenkuvertüre ersetzt und dadurch ironisch konterkariert werden. In einem anderen Werkkomplex werden aus metallisch glänzenden Girlandenkonstruktionen poetische, fast wie im Raum schwebende Skulpturen oder finden sich zu minimalistischen Rauminstallationen verdichtet. Der Rückgriff auf Werkstoffe, die in ihrer Materialästhetik eng mit den Kategorien des Dekorativen und Schmuckhaften verbunden sind, ist dabei ein bewusster. Indem Gorkiewicz in diesem Fall den Ausstellungsraum in der Galerie im Taxispalais buchstäblich „schminkt“ und damit sinngemäß Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung betreibt, thematisiert er auch das zeitaktuelle Phänomen der Entwicklung des Museums hin zur Bühne für eine neue Eventkultur. Im künstlerischen Akt der Überführung des Trivialen in einen neuen Kontext, macht Gorkiewicz die Durchdringung und Wechselwirkungen von unterschiedlichen kulturellen Sphären und Milieus sichtbar und ästhetisch erfahrbar. Es ist dieses Oszillieren zwischen den Systemen das den Künstler interessiert, wenn er unsere gängigen Sichtweisen unterwandert und überkommene Bedeutungszuweisungen zur Disposition stellt. Im Rahmen der Ausstellung und eines aktuellen Malereidiskurses, liefert der Künstler damit einen feinsinnigen Kommentar zu den Erwartungshaltungen die an die Kunst und ihre Präsentationsräume herangetragen werden, ebenso wie zu den musealen und sozialen Standards, in denen sich künstlerische Diskurse und künstlerische Distribution heute bewegen.
in:
"IMMER BUNTER. Aktuelle Malerei aus Österreich"
Galerie im Taxispalais (Hg.)
Innsbruck 2012